Böckstiegel – Das frühe Werk. 1910-1913
11.07.2021 - 19.12.2021
Die frühesten bekannten Werke von Peter August Böckstiegel stammen aus den Jahren 1909 und 1910. Doch wirken schon diese ersten Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Grafiken des 20-Jährigen nicht wie die Arbeiten eines Schülers oder gar wie die zögerliche Suche nach einer eigenen Handschrift. Es sind vielmehr frühe Meisterwerke eines jungen Mannes, der sich schon während seiner künstlerischen Ausbildung an der Kunsthandwerkerschule in Bielefeld selbstbewusst auf den Weg der Moderne wagt – in einer Stadt, in der es abgesehen von einer kleinen Galerie keine Möglichkeit gab, sich mit zeitgenössische Kunst auseinanderzusetzen.
Vielmehr wurde sein heute kaum noch bekannter Lehrer der Bielefelder Malerklasse, Ludwig Godewols, zu einer Leitfigur für den jungen Böckstiegel - dieser regte seine Schüler schon früh zur Auseinandersetzung mit der modernen Kunst an. So reiste er mit seiner Klasse 1909 ins Folkwang-Museum nach Hagen, wo Böckstiegel den französischen Impressionismus und Vincent van Goghs Gemälde „Die Ernte (Kornfeld mit Schnitter)“ von 1889 sah, das ihn, den Bauernsohn, zu eigenen Bildfindungen anregte. Diese Eindrücke festigten sich mit dem Besuch der epochalen „Sonderbund“-Ausstellung in Köln im Jahr 1912, wo Böckstiegel die „lodernde Flammenschrift van Gogh’schen Geistes“, aber auch die Werke von Paul Gauguin, Paul Cézanne, Edvard Munch und der Expressionisten begeisterten. 1912 und 1913 entstanden so eine ganze Reihe von Landschafts- und Erntedarstellungen, in denen Böckstiegel seinem Vorbild van Gogh nacheiferte, sich aber auch der Formensprache des Expressionismus und der Künstler der Dresdner Künstlervereinigung „Brücke“ annäherte.
Um diese ersten Jahre der Künstlerwerdung nachzuzeichnen, vereint die Ausstellung frühe Werke Böckstiegels aus Privatbesitz mit den Beständen des Museums – insbesondere seltene frühe Radierungen und Zeichnungen sowie expressive Aquarelle. Auch die ersten Gemälde der Jahre 1912 und 1913, die der Künstler sehr schätzte und „wie ein rohes Ei“, hütete, werden in der Ausstellung prominent präsentiert.
Zeitgleich wird im Museum das außergewöhnliche „Steinborn-Relief“ aus dem Jahr 1937 zu sehen sein, umgeben von den Werken Böckstiegels aus den 1920er und 1930er Jahren, die zur Entstehung dieses Werkes beigetragen haben. Es zeigt eindringlich, wie sehr Böckstiegel in den Jahren der Nazi-Diktatur nach Kontinuität in seinem Schaffen und einer für ihn überzeugenden Darstellung des „Bauernlebens“ suchte. Mit der Präsentation des Steinborn-Reliefs schließt sich ein Themenkreis Böckstiegels, der bereits in den frühen Jahren angelegt wurde.